Wie kommt der Davidstern in den Jakobmayer?

23. Mai 2012

Veranstaltungsankündigung:

Wie kommt der Davidstern in den Jakobmayer?
Über‐Lebenskunst jüdischer Menschen im Nachkriegs‐Dorfen

  • Vortrag:
    Die Jüdische Blumengartenschule – ein Kibbuz judischer Displaced Persons (DPs) in Dorfen
    Thea Fleischhauer – Historikerin, Weimar
  • Zeitzeugengespräche und Dokumente:
    Lebenswege und Alltag privat einquartierter DPs
    Projektgruppe Denkorte – Dorfen ist Bunt

Beginn: MI 23. Mai 2012 um 19.30 Uhr
Ort: Jakobmayer‐Saal, Dorfen, Unterer Markt
Der Eintritt ist frei. In der Pause gibt es einen kleinen Imbiss.

Displaced Persons (DPs) wurden ab 1945 Menschen genannt, die infolge des Kriegs heimatlos, „entwurzelt“ – waren. Unter ihnen viele osteuropäische Juden, die auch nach 1945 in ihrer Heimat ihres Lebens nicht sicher waren. In Dorfen gab es zwischen 1945 und 1949 hunderte jüdische DPs, die teils bei Dorfenern untergebracht waren, teils in einem Kibbuz, der „Jüdischen Blumengartenschule“ wohnten.

Diese Menschen, alle Opfer der menschenverachtenden nationalsozialistischen Ideologie, soll ein Platz in der Geschichte unserer Heimat geben werden. Wo kamen sie her? Wie hat sich ihr Leben in Dorfen gestaltet? Wie ging es mit ihnen weiter?

„Dorfen ist Bunt“ versteht ihr Schicksal als einen Aufruf, in unserer Zeit hellhörig bezüglich neonazistischem Gedankenguts zu sein und Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt werden, besondere Beachtung zu schenken.

Die Projektgruppe „Denkorte“ von „Dorfen ist Bunt“ hat Informationen zu diesem Thema in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen und wird diese an historischem Ort – im Jakobmayer‐Saal – präsentieren. Im Jakobmayer saß damals „Das jüdische Komitee Dorfen“ und gleichzeitig war dort auch der kulturelle Treffpunkt – die Wandzeichnungen im Treppenhaus zeugen davon.

Die Veranstaltung gliedert sich in zwei Abschnitte:

Vortrag von Thea Fleischhauer: Die Jüdische Blumengartenschule – ein Kibbuz jüdischer Displaced Persons in Dorfen

Mikrogeschichtliche Studie, die sich ausschließlich auf archivale Bestände bezieht und auf einen interessanten und unerforschten Fund im Archiv des Internationalen Suchdienstes Bad Arolsen fußt: Eine Namensliste der 40 BewohnerInnen der „Jüdischen Blumengartenschule“ von 1946. Die Autorin rekonstruiert aus unterschiedlichsten archivalen Quellen eine knappe und lückenreiche Geschichte eines Kibbuz‘, dass sich zwischen 1946 und 1948 im oberbayerischen Dorfen befunden hat. Dessen Mitglieder, als jüdische Displaced Persons von den Alliierten und Hilfsorganisation unterstützt, haben inmitten eines deutschen Dorfes kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in einer landwirtschaftlich geprägten Gemeinschaft gelebt und sich auf ein Leben in Palästina bzw. Israel vorbereitet. Vor 1945 erlebten etwa die Hälfte dieser Menschen aufgrund ihres jüdischen Glaubens bzw. ihrer jüdischen Nationalität die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, sie wurden ihrer Heimat beraubt und viele ihrer Angehörigen und Freunde ermordet. Biographische Skizzen dieser Menschen sowie die Erkenntnisse zu ihrem Aufenthalt in Dorfen werden in die Makrogeschichte jüdischer Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland eingebettet. Im heutigen Dorfen wurde die Geschichte dieser Menschen bzw. ihre kurze Präsenz in der Ortschaft bisher nicht öffentlich erinnert.

Die Autorin wird in ihrem Vortrag die Erkenntnisse zu diesem Teil der Ortsgeschichte anhand des Archivmaterials präsentieren.

Zur Biographie von Thea Fleischhauer

1987 in Thüringen geboren, 2005 Abitur, danach Studium der Geschichte, Kulturwissenschaften und Ostslawistik an der Universität Leipzig mit Schwerpunkt auf Zeitgeschichte und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Stipendiatin der Hans‐Böckler‐Stiftung. Während des Studiums studentische Hilfskraft an den Lehrstühlen für Geschichtsdidaktik und Ost‐ und Südosteuropäische Geschichte sowie freie Mitarbeit an der Gedenkstätte Buchenwald zur Erarbeitung pädagogischer Arbeitsmaterialien, die die Lebensgeschichten ehemaliger KZ‐Häftlinge in den Mittelpunkt stellen. Im Rahmen von Forschungsreisen intensiven Kontakt zu Überlebenden und ihren Familien in Deutschland und Israel. Studienaufenthalt in Basel/Schweiz. Abschluss des Bachelorstudiums im Winter 2011. Momentan im Gap‐Year zum Masterstudium: Tätig im musealen Ausstellungsbau in Potsdam sowie Praktika im Bereich des therapeutischen Reitens und des Coaching mit Pferden.

Zeitzeugengespräche und Dokumente: Lebenswege und Alltag privat einquartierter Displaced Persons

Präsentation von Ergebnissen aus vielen Einzelgesprächen mit Menschen, die die Nachkriegszeit in Dorfen erlebt haben, sowie aus der Forschung in verschiedenen Archiven, der Auswertung verschiedener Schriften, außerdem Fotos und Kartenmaterial zu Themen wie:

  • Das Jüdische Komitee Dorfen
  • Woher kamen die DPs, auf welchen Wegen fanden sie nach Dorfen, wohin sind sie gegangen?
  • Wo haben sie in Dorfen gewohnt? Wo gearbeitet?
  • Schlaglichter zum Verhältnis von Dorfner Bürgern und jüdischen DPs
  • Die Rolle des „Jakobmayer“ – die jüdischen Wandmalereien
  • Interview mit dem Sohn eines ehemaligen Dorfner DPs und einer Deutschen

Der Projektgruppe ist bewusst, dass es hierbei nicht um ein komplettes Bild jüdischen Lebens in Dorfen geht – sie freut sich, wenn durch interessierte Leser/innen der Homepage oder Besucher/innen der Veranstaltung neue Erkenntnisse dazukommen.